Rezension: Frankenstein von Mary Shelley


"Nichts schmerzt die menschliche Seele so sehr wie eine große und plötzliche Veränderung."*

Klappentext:
Nach Jahren des Experimentierens ist es dem ehrgeizigen Forscher Viktor Frankenstein gelungen, aus toter Materie einen künstlichen Menschen zu erschaffen. Doch das Ergebnis seiner alchemistischen Versuche erschüttert ihn bis ins Mark. Entsetzt überlässt er das Wesen seinem Schicksal. Dessen verzweifelte Suche nach Nähe und Akzeptanz endet in Chaos und Verwüstung. Als das Wesen nach und nach Rache an Frankensteins Familie nimmt, beschließt dieser, seine Kreatur zu jagen und zu töten...
Das Erstlingswerk einer 19-jährigen entstand als Gruselgeschichte zum Vorlesen im Freundeskreis. Der jungen Mary Shelley gelang damit einer der berühmtesten Romane der Weltliteratur, der noch immer gültige Fragen zur Verantwortung des Menschen für seine Schöpfung stellt.**


Der Name Frankenstein ist wohl für fast jeden ein Begriff. Er wird jedoch gerne missverständlich für Frankensteins Monster verwendet. Tatsächlich bekommt dieses "Monster" nie einen eigenen Namen. Der Roman gehört zu den Grundsteinen der 'Gothic Novels', die gerade ihren Anfang fanden. Für uns scheint der Schauerroman heutzutage vielleicht nicht mehr besonders gruselig zu sein und die grau-grüne Kreatur mit den Nähten, die wir aus den alten Hollywood-Verfilmungen kennen, ist ein fast schon komisches Kostüm zu Karneval oder Halloween.
Mary Shelley spielt jedoch geschickt in ihrem Roman mit den schrecklichen Vorstellungen der Leser der damaligen Zeit, welche sich auf ein 'Monster' beziehen, das man sich kaum vorzustellen vermag. Im Buch wird deshalb nie die genaue Anatomie des Wesens beschrieben, das Viktor erschaffen hat. Man erfährt nur von gelblichen Augen, gräulicher Haut, einer riesenhaften Statur und dass er schrecklich anzusehen sei. Welche Teile aber wie zusammengefügt wurden, erfährt man nicht.


Meine Meinung:
Von der neuen, handlichen Ausgabe war ich rein optisch schon total begeistert. Die pinke Farbe leuchtet regelrecht und ich finde es sehr gut, dass man nur eine Hand erkennen kann und nicht mehr. Vor allem aber haben mir die kleinen Fußnoten und Anmerkungen in dieser Neuauflage gefallen. Man erhält sehr viel Hintergrundwissen über Percy und Mary Shelley, wie das Buch entstanden ist, was die Autorin inspiriert hat und welche Parallelen es zu ihrem Leben gibt. Auch intertextuale Bezüge werden geklärt, die man sonst wohl nicht mehr so einfach erfassen kann.

Den Fokus der Geschichte legt Mary Shelley ganz klar auf die Empfindungen von Frankensteins Wesen, das sich zunächst immer nur nach Liebe, Zugehörigkeit und Identifikation sehnt. Als die Kreatur jedoch nur Ablehnung erfährt, auch von seinem Schöpfer, wendet sie sich gegen ihre "Menschlichkeit" und die Menschheit allgemein. Sie will sich an Viktor rächen.
Ein bisschen hat mich das an Schillers "Räuber" erinnert, in der der Hauptcharakter nur Straftaten begeht  und "böse" wird, weil die Gesellschaft ihm keine andere Wahl lässt.
Mir war das "Monster" oft sehr sympathisch und der Schribstil der Autorin und ihre Wortwahl lassen einem kaum die Wahl, als Mitleid mit ihm zu empfinden. Ausführlich werden die Erfahrungen und ersten Kontakte mit den Menschen beschrieben, bei denen das Verhalten der Menschen zwar abscheulich, aber dann auch wieder irgendwie verständlich ist. Die mörderischen Absichten des "Monsters" lassen einem dann aber doch wieder überlegen: Auf welcher Seite stehe ich?
Vor allem wird auch die Frage thematisiert: Welche Verpflichtung hat ein Schöpfer gegenüber seiner Schöpfung? Viktor kämpft sehr mit dieser Frage.

Das einzige, was mir nicht so gut gefallen hat, waren die etwas längeren Passagen, welche Orte und Schauplätze ausführlicher beschreiben. Ich hatte oft das Bedürfnis, diese zu überfliegen. 
Trotz allem verliert der Roman nie gänzliche seine Spannung.

Fazit:
Ein Gruselklassiker, bei dem ich mich zwar nicht wirklich gegruselt, den ich aber trotzdem sehr gerne gelesen habe. Die moralischen Fragen, die die Autorin immer wieder aufbringt, haben mich sehr aufgewühlt und ich war ständig hin und hergerissen zwischen Sympathie und Abscheu für Viktors Wesen. Die modernen Ansätze des Romans und tiefen Empfindungen der Kreatur haben mich positiv überrascht. Einziger Kritikpunkt für mich ware die zum Teil etwas langwierigen Passagen und Naturschilderungen.



4/5 Punkten 



*Frankenstein - Mary Shelley - Manesse-Verlag - S.348

Frankenstein von Mary Shelley - aus dem Englischen übersetzt und in neuer Überarbeitung herausgegeben von Alexander Pechmann - Urfassung 1818 -Nachwort von Georg Klein - 463 Seiten
Verlag: Manesse (Random House)
Preis: 22€
ISBN: 978-3-7175-2370-3

2 Kommentare:

  1. Das klingt wirklich interessant. Hast du irgendwelche Rezesionen zur Max Frisch?

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    1. Hallo!

      Fand es auch sehr interessant. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bisher noch gar nichts von Max Frisch gelesen habe, aber auch er steht auf meiner laaangen Liste. :)

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